Sammlung Gegenwartskunst
Die Sammlung des Museum Ludwig umfasst die wichtigsten Positionen der Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwartskunst. Die Werke der Klassischen Moderne und der Kunst nach 1945 bis 1970 sind chronologisch vom oberen zum mittleren Stockwerk geordnet. Die Gegenwartskunst im Treppenhausbereich und im Untergeschoss bildet das Rückgrat und Fundament des Hauses, von der in die Vergangenheit und in die Zukunft geblickt wird. Dabei vermittelt die Sammlung die vielfältigen medialen und konzeptuellen Erscheinungsformen der Gegenwartskunst, die keinem festgefügten Kanon folgen und sich nicht in Stilrichtungen einordnen lassen.
Um die große Spannbreite und inhaltliche Diversität der Sammlung Gegenwartskunst am Museum Ludwig zu vermitteln, wird die Präsentation im Untergeschoss ca. alle 2 Jahre gewechselt. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie jeweils von einem programmatischen Werk ausgeht. Dieses Werk gibt Leitfragen vor, die auf unterschiedliche Weise in den anderen Werken aufgegriffen werden können. Jimmie Durhams Building a Nation (2006) nimmt in dieser Präsentation die Schlüsselrolle ein. Seine begehbare skulpturale Installation ist ein durchlässiges architektonisches Ensemble aus roh zusammengebauten Fundstücken. Sie stellt über Zitate den Bezug des amerikanischen Nationalstaats zu seinem Gründungsmythos und seiner Gründungsgeschichte her, die unmittelbar mit dem Mord an den Native Americans und der gewaltsamen Ausbeutung von Ressourcen verbunden sind. Ausgehend von dieser Installation ergeben sich für die anderen ausgestellten Arbeiten weiterführende Fragen: Wie bestimmen sozialer Status, Geschlecht und kulturelle Übereinkünfte die Wahrnehmung von Wirklichkeit? Wie wird deren Darstellung in Fotografie und Video kritisch hinterfragt? Welche Rolle spielt der*die Künstler*in für das Werk insbesondere in der Malerei? Was unterscheidet die skulpturale Installation in der Kunsterfahrung von anderen Arbeiten?
Gesellschaftliche Rollenbilder
![Clemens von Wedemeyer & Maya Schweizer Rien du tout [gar nichts], 2006, 35-mm-Film, HD Video, DVD, Bildformat 16:9, 30:00 Min.](fileadmin/_processed_/csm_CVW_Rien_du_tout_bb230fbf32.jpg)
Fotografien und Video werden als Abbild der Wirklichkeit wahrgenommen. Sie zeigen aber nur einen Ausschnitt, der von einem privilegierten Standort gekennzeichnet ist. Auf besondere Weise zeigt sich dies beispielsweise am Bild der Frau. Es ist bestimmt von Vorbildern in den Massenmedien, der Werbung und Kunstgeschichte, aber auch vom gesellschaftlichen Status. Sanja Ivecović und Stephen Willats machen deutlich, wie Betrachter*innen in ihrer Deutung der Dargestellten davon beeinflusst werden. Louise Lawler bricht das stereotype Bild der Frau durch überraschende Bildunterschriften auf. Carrie Mae Weems thematisiert die doppelte Unsichtbarkeit als Frau und schwarze Künstlerin. In Michal Heimans Installation wird mit einem vermeintlichen psychologischen Test den unterschwelligen Bedeutungen in Schnappschüssen aus einem Privatalbum nachgegangen. Candida Höfer und Andreas Gursky wiederum zeigen die Grenzen des Dokumentarischen auf. In Rien du tout (2006) von Maya Schweizer und Clemens von Wedemeyer durchdringen sich Dokumentation und Fiktion, wenn Jugendliche aus den Randgebieten von Paris zugleich als Statisten des Videos und der Geschichte über eine Theaterprobe auftauchen. Sie werfen die Frage auf, ob und wie die Dargestellten zur Sprache kommen.
Gemalte Wirklichkeit

Lange wurde die gestische Malerei des Informel und des Abstrakten Expressionismus als unmittelbarer Ausdruck des*der Künstler*in betrachtet. Gegen diesen Mythos arbeiten nach Sigmar Polke und Gerhard Richter ab den 1980er Jahren auch Künstler*innen wie Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Susanne Paesler, Georg Herold, Rosemarie Trockel und Yan Pei-Ming an. Sie proben eine „schlechte Malerei“ (bad painting), lassen Computer malen, übersetzen die malerische Geste in Kaviarspuren oder Wollbilder oder verwenden politische Zeichen und Personen als plakative Motive. Andere Schwerpunkte setzen Ilya Kabakov, Kerry James Marshall und Lubaina Himid. Kabakov bezieht die realen Betrachter*innen seiner Installation Unaufgehängtes Bild in eine auf sie verweisende Geschichte über Kunst und deren Ausstellung ein. Marshall greift auf traditionelle Kunstdarstellungen und Maltechniken zurück, um ein romantisches Porträt der afroamerikanischen Mittelschicht zu entwerfen, das im westlichen Kunstkanon fehlt. Himid verbindet in ihrem Werk die Malerei mit aktivistischem Engagement gegen den Ausschluss schwarzer Künstler*innen aus Ausstellungen und der Kunstgeschichtsschreibung.
Fundstücke

Jimmie Durhams erweiterte Skulptur bezieht die Betrachter*innen auf eine besondere Weise ein, die über das Sichtbare hinausgeht. Die Materialien und die Anordnung der Fundstücke ermöglichen eine offene, prozessuale Kunsterfahrung, die sich von derjenigen zweidimensionaler Bilder unterscheidet. Dies gilt auch für Zoe Leonards Tree (1997/2011) – ein zerlegter und mit Metallteilen wieder zusammengebauter Baum, der Ding und Skulptur zugleich ist. Cady Noland arbeitet mit vorgefundenen Alltagsobjekten wie Versatzstücken eines Schindeldachs und einem metallenen Lastwagenaufsatz, die auf den amerikanischen Mythos unbegrenzter Freiheit und Mobilität verweisen. Manfred Pernice leitet seine aus Pressspanplatten hergestellten Skulpturen von Architekturen wie dem Flughafenturm von Hangelar ab. Katsuro Funakoshi wählt Kampferholz, das er nach dem Vorbild von Renaissanceporträts und Freiplastiken der Kamakura-Zeit schnitzt.
Als Vermittlung bieten Wandtexte in der Präsentation eine Orientierung. Zu einzelnen Werken ermöglichen Kurztexte einen tieferen Einstieg. Darüber hinaus sind Michal Heiman, Lubaina Himid und Jeff Wall eingeladen, über ihr Werk sprechen.
Die Sammlungspräsentation wird ermöglicht durch die großzügige Förderung der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig e.V. sowie der Stadt Köln.